"In der jetzigen großen Katastrophe, von welcher für das Vaterland Alles abhängt, verdient der kräftige Sinn, der die Nation so hoch erhebt, durch ganz eigenthümliche Monumente geehrt und verewigt zu werden." So heißt es in der "Urkunde über die Stiftung des eisernen Kreuzes", am 10. März 1813 unterzeichnet vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. Als das durch den französischen Herrscher Napoleon bezwungene Preußen seine alte Machtstellung zurückzuerobern plante, sollte der neue Kriegsorden den Kampfgeist der Untertanen beflügeln. Die "Befreiungskriege" wurden gewonnen und das "eigenthümliche Monument" blieb den Deutschen für weitere Völkerschlachten erhalten. In seiner Geschichte faszinierte es auch die Literaten, die Suche nach dem Eisernen Kreuz in Romanen, Erzählungen, Gedichten und Lebenserinnerungen bringt reichen Ertrag.
Der Siegeszug des "eigenthümlichen Monuments", seine massenhafte Verbreitung, begann jedoch erst mit einem verlorenen Krieg der Deutschen. Während in Europa von 1914 bis 1918 auf den Kampfplätzen Millionen Männer starben und verwundet wurden, gab's auch beim Eisernen Kreuz eine Inflation. In den kriegerischen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts waren die Dimensionen bescheidener.
Ursprünglich sollte das Eiserne Kreuz nur an preußische Bürger verliehen werden. Es bestand aus zwei Klassen und einem Großkreuz. Der König selbst hatte dafür Entwürfe gefertigt, Karl Friedrich Schinkel gab dem Orden die endgültige Form. Das vierarmige, breitendige, geschweifte Kreuz wurde aus Gußeisen hergestellt und mit einem silbernen Rand verziert. Auf der Rückseite des am Geburtstag der preußischen Königin Luise gestifteten Kreuzes waren drei Eichenblätter, eine Krone, die Initialen des Stifters: F. W. und das Stiftungsjahr 1813 zu sehen. Es wurde bald üblich, das Kreuz umgedreht zu tragen, statt - wie eigentlich vorgeschrieben - die schlichte Vorderseite zu zeigen. 1838 erkannte eine Kabinettsorder diese Gewohnheit offiziell an.
Die Eisernen Kreuze erster und zweiter Klasse hatten die gleiche Größe, das Großkreuz war - seinem Namen entsprechend - größer. Die EK 1 und 2 wurden im Knopfloch getragen. Beim EK 1 kam noch ein Kreuz aus übereinandergelegtem Ordensband hinzu, das auf der linken Brust zu befestigen war. Es wurde noch im selben Jahr durch ein gußeisernes Kreuz ersetzt. Ein schwarzes Band mit weißer Einfassung zeigte, daß der Orden auf dem Schlachtfeld erworben wurde. Sonst hing er am weißen Band mit schwarzem Rand. Das Großkreuz wurde am Band um den Hals getragen. Nur Kommandierende mit herausragenden Erfolgen sollten es erhalten.
Im Befreiungskrieg wurde unter anderen der Generalfeldmarschall Fürst Blücher von Wahlstadt 1813 für den Sieg an der Katzbach damit ausgezeichnet. "Die Monarchen überhäuften mich mit Gnadenbeweisen und Orden", schrieb er damals in einem Brief. "Ich wollte, sie dächten daran, daß ich arm bin und zwar durch die letzte Zeit gänzlich ruiniert worden." 1815 bekam Blücher für den Sieg bei Belle-Alliance eine Sonderstufe des Ordens, den Stern zum Großkreuz des Eisernen Kreuzes, den sogenannten Blücherstern. Außer ihm erhielt diese Auszeichnung nur der Generalfeldmarschall Paul von Beneckendorff und von Hindenburg 1918 für die Schlacht bei Amiens-Arras.
Im Befreiungskrieg von 1813 bis 1815 wurden nur wenige Nicht-Preußen mit dem Eisernen Kreuz geehrt.
Mit der Erneuerung des Eisernen Kreuzes im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 fiel die Bindung an die preußische Staatsangehörigkeit weg. Seitdem konnte es an Deutsche aller Bundesstaaten verliehen werden. Für diesen Krieg, der das Deutsche Reich begründete, wurde das Kreuz leicht verändert. Die ursprüngliche Prägung blieb, aber auf die ehemals glatte Seite kamen zudem das "W" des Königs Wilhelm I., eine Krone sowie die Jahreszahl 1870. Die veränderte Seite mußte sichtbar getragen werden.
Auch dem Fürsten Otto von Bismarck wurde das Eiserne Kreuz nicht vorenthalten. Am 24. Dezember 1870, nach dem Abschluß der das Kaiserreich begründenden Verträge, befestigte ihm der König das EK 1 an der Brust. Den Beinamen "eiserner Kanzler" verdankte er jedoch anderen Umständen. Nach eigenen Bekunden legte Bismarck auf solche Auszeichnungen nicht sonderlich viel Wert. In seinen "Gedanken und Erinnerungen" heißt es: "Orden zu tragen ist für mich, außer in Petersburg und Paris, niemals ein Bedürfnis gewesen; an beiden Orten muß man auf der Straße irgend ein Band am Rock zeigen, wenn man polizeilich und bürgerlich mit der wünschenswerten Höflichkeit behandelt werden will. Sonst habe ich in jedem Falle nur die durch die Gelegenheit bebotnen Dekorationen angelegt; es ist mir immer als eine Chinoiserie erschienen, wenn ich wahrnahm, wie krankhaft der Sammlertrieb in bezug auf Orden bei meinen Kollegen und Mitarbeitern in der Bürokratie entwickelt war, wie Geheime Räte, welche schon die ihnen aus der Brust quellende Ordenskaskade nicht mehr gut beherrschen konnten, den Abschluß irgend eines kleinen Vertrages anbahnten, weil sie zur Vervollständigung ihrer Sammlung noch des Ordens des mitkontrahierenden Staates bedurften." Am 5. August 1914 wurde das Eiserne Kreuz von Kaiser und König Wilhelm II. zum zweiten Mal erneuert. Er ließ die Jahreszahl 1870 durch 1914 ersetzen. Beim Massensterben im Ersten Weltkrieg wurde auch das Eiserne Kreuz ein Massenartikel. In der Literatur über jene Jahre ist es unentbehrliches Requisit.
In dem autobiographischen Roman "Krieg" erinnert sich der
Verfasser Ludwig Renn an die Verleihung des EK 2. Ein Leutnant
übereichte es ihm: "Er kam zu mir, machte ein kleines, blaues Paket
auf und zog mir das schwarzweiße Band mit dem Kreuz daran ins zweite
Knopfloch. 'Sie müssen's nur noch mit einer Nadel feststecken. -
Freuen Sie sich?' Er gab mir die Hand.
Ich wurde verlegen, weil alle nach mir sahen.
Das Kreuz trug ich den ganzen Tag lang. Die Sonne schien auf die
verschlammte Straße. Jeder, der mir begegnete, schien mich
anzusehen. Ich kam nicht aus dem Gefühl heraus, rot zu werden.
Offen wagte ich nicht, mir das Kreuz genauer anzusehen.
Deshalb ging ich am Nachmittag aus dem Ort hinaus. Der blitzende
silberne Rand gefiel mir sehr. Gern hätte ich einen Spiegel gehabt.
Am Abend verpackte ich das Kreuz, daß es nicht blind würde, und ließ
nur das Band in meinem Knopfloch."
Wie willkürlich das Eiserne Kreuz wohl des öfteren verliehen wurde, erzählte der Schriftsteller Ernst Toller in seiner Autobiographie "Eine Jugend in Deutschland": "Der Kaiser wird kommen, wir müssen antreten, der Hauptmann bestimmt die Soldaten, die die saubersten Uniformen tragen, so werden schließlich Köche, Schreiber und Offiziersburschen für die Kaiserparade gewählt und mit Eisernen Kreuzen dekoriert." Dem Ansehen der Auszeichnung schienen solche Praktiken kaum zu schaden. Der Orden wurde offenbar trotzdem von vielen heiß begehrt. In Arnold Zweigs Roman "Der Streit um den Sergeanten Grischa" bringt einem Landser die Begegnung mit einem General das Eiserne Kreuz: "Und obwohl die Geltung dieser Kriegsauszeichnung damals schon niedrig im Kurse stand, errötete er doch langsam und vor Freude, denn, dachte er, verdient hab' ich mir's; verdient haben wir's uns alle, Mann für Mann, die dort in der Sch... eune gesteckt haben. Und wenn's auch spät kommt und bei falscher Gelegenheit: verdient ist verdient, und EK ist EK, und er hatte wieder etwas nach Hause zu berichten."
Auch Erich Maria Remarque, der Verfasser von "Im Westen nichts Neues", dem wohl bekanntesten Roman über den Ersten Welt- krieg, erwähnte den Orden: "Jeder von euch müßte das Eiserne Kreuz haben", läßt er gönnerisch einen Direktor zu einem einfachen Soldaten sagen.
Trost für jene, die es (noch) nicht erhalten hatten, war offenbar nötig. Die Zeitschrift "Jugend" gedachte 1915 in einem Gedicht jener "Die das Eiserne Kreuz nicht haben" - so der Titel.
In der Rubrik "Kriegshumor" des "deutschen Feldzugsbüchlein 1914" ist der Orden Vorlage für einen makabren "Witz": "Den Deutschen das Eiserne Kreuz, den Franzosen das Eisen ins Kreuz."
Wer die gußeiserne Kriegsauszeichnung tragen durfte, konnte mit
einer merklichen Erhöhung seines Ansehens rechnen. Manchen mag das
verführt haben, sein Prestige durch Prahlerei aufzupolieren,
besonders gegenüber dem anderen Geschlecht, wenn der spitzen Feder
Kurt Tucholskys zu glauben ist, der in dem achtstrophigen Lied "Wenn
die Igel in der Abendstunde" dichtete: "Ach, ich habe dich ja so
belogen!
Hab gesagt, mir wär ein Kreuz von Eisen wert,
als Gefreiter wär ich ausgezogen,
und als Hauptmann wär ich heimgekehrt -
Anna-Luise -!
Im "Dritten Reich" kam das Eiserne Kreuz als Attribut nationaler
Gesinnung zu neuen Ehren. Bertolt Brecht erwähnte es in dem
Bühnenstück "Furcht und Elend des Dritten Reiches". In einer Szene
ängstigt sich ein Ehepaar, daß der Mann wegen abfälliger Reden über
das Regime denunziert und verhaftet werden könnte:
"Die Frau: Meinst du, wir sollen irgendwelche Vorbereitungen
treffen?
Der Mann: Meinst du, daß sie gleich mitkommen?
Die Frau: Das ist doch möglich?
Der Mann: Vielleicht soll ich mein Eisernes Kreuz anlegen?
Die Frau: Auf jeden Fall, Karl!
Er holt es und legt es mit zitternden Händen an."
Auch Adolf Hitler durfte sich mit dem Orden schmücken. Der "Führer", Meldegänger des Ersten Weltkriegs, hatte das EK 2 bereits im Dezember 1914 erhalten. "Es war der glücklichste Tag meines Lebens", schwärmte er in einem Brief. Im August 1918 bekam der Gefreite auch das an Mannschaftsdienstgrade selten verliehene EK 1.
Beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, am 1. September 1939, wurde das Eiserne Kreuz von Hitler zum dritten Mal erneuert. Es bestand danach aus vier Klassen: der ersten und zweiten, dem Ritterkreuz und dem Großkreuz. Das Ritterkreuz wurde gegen Ende des Krieges noch in vier Stufen unterteilt. Die königlichen Embleme entfielen. Auf der Vorderseite zeigte der Orden das Hakenkreuz und die Jahreszahl 1939, auf der Rückseite blieb nur das Stiftungsjahr vermerkt. Das Band war zinnoberrot mit weißem und schwarzem Randstreifen.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde nur ein Großkreuz verliehen, und zwar an den Reichsmarschall Hermann Göring.
Über den Zusammenhang von Gesinnung und Orden spottete ein Witzeerfinder im Nazideutschland: "Die Eisenträger wurden alle in die Partei eingebaut, die Nieten in der Regierung verwendet und der Draht im Ausland. Deshalb verordnete der Führer als Gesetz: Alles Blech vom Propagandaministerium wird beschlagnahmt, die Achse Berlin-Rom wird eingeschmolzen, und alle Erzbischöfe werden verschrottet und zur Artillerie einberufen."
In der Literatur über den Zweiten Weltkrieg ist das Ritterkreuz bevorzugtes Material für die Schriftsteller. Die Aura dieser Auszeichnung hielt auch Heinrich Böll fest. In der Erzählung "Wir Besenbinder" erwähnte er einen "Hegenbach" mit dem lapidaren Hinweis, daß "dessen Bruder Ritterkreuzträger war".
Hans Werner Richter brachte in seinem Roman "Du sollst nicht töten" die Bedeutung des gußeisernen Stücks direkter zum Ausdruck. Über den Freund eines Hochdekorierten schrieb der Autor: "Er war stolz, einen Bekannten zu haben, der es soweit gebracht hatte."
"Ein Gefühl des Respektes und wohl auch des Neides" gegenüber einem Ritterkreuzträger bekannte Ernst von Salomon in dem autobiographischen Buch "Der Fragebogen". Wegen Beihilfe zur Ermordung des deutschen Außenministers Walther Rathenau im Jahr 1922 war der Schriftsteller zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Ein Symbol für den Schrecken des Krieges ist das Eiserne Kreuz in "Mein Gedicht" von Karl-Heinz Jakobs: "... Ich kenne ein Regiment und das Eiserne Kreuz drei Schritt vor der Front für Kinder mit blonden Haaren ... Damit das nicht vergessen werde, damit das nicht wiederkehre, schreibe ich mein Gedicht."
Nach dem Erlaß des Ordensgesetzes von 1957 durfte das Eiserne Kreuz aus dem Zweiten Weltkrieg wieder getragen werden. Die Embleme des "Dritten Reiches" mußten jedoch entfernt werden. Das Hakenkreuz wurde wieder durch die drei Eichenblätter ersetzt.
Astrid Brand, 1988
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